Göttingen/Lüneburg. Das Verwaltungsgericht Göttingen hat den Eilantrag der Dossier Hameln Verlagsgesellschaft GmbH sowie ihres Chefredakteurs Tim Menke abgelehnt (Beschluss vom 25.11.2025, 2 B 565/25). Doch während das Gericht die besondere Eilbedürftigkeit verneinte, bleiben die im Raum stehenden Vorwürfe schwerwiegender Aktenmanipulation und dokumentarischer Lücken in der Ermittlungsakte weiterhin völlig ungeklärt. Die Antragsteller haben inzwischen erklärt, sofortige Beschwerde einzulegen; das Verfahren wird dann vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg fortgesetzt.
Kernkritikpunkt: Fehlende Kontrollberichte, fehlende Vermerke, fehlende Kommunikation – und ein Verdacht der Aktenbereinigung
Im Zentrum des presserechtlichen Auskunftsbegehrens steht ein ungewöhnlich dichter Komplex an Ungereimtheiten in der Ermittlungsakte eines Strafverfahrens aus dem Jahr 2024. Die Antragsteller verlangen Auskunft darüber, warum wesentliche entlastende Beweise dem Ermittlungsgericht vorenthalten worden waren.
Der Vorwurf, der im Raum steht: Eine Akte, die erhebliche entlastende Inhalte hätte enthalten müssen, soll vorsätzlich dahingehend bereinigt worden sein, dass der Ermittlungsrichterin ein falsches Bild der Gesamtumstände vermittelt werden konnte, um sich einen Durchsuchungsbeschluss zu erschleichen. Verantwortlich sein soll laut übereinstimmenden Informationen der ehemalige ZKD-Leiter EKHK Manfred Hellmich, wir berichteten. Weder EKHK Hellmich noch sein Dienstherr haben – trotz zahlreicher Anfragen dieser Zeitung – bis heute entlastende Informationen zu dem Verdacht vorgetragen.
Gericht sieht keinen Eilbedarf – aber prüft die Vorwürfe inhaltlich nicht
Das VG Göttingen betont, dass es keine materielle Prüfung der behaupteten Aktenlücken vorgenommen hat. Die Ablehnung beruht allein auf dem fehlenden Anordnungsgrund. Mit anderen Worten: Die Fragen, die in ihrer Summe auf mögliche Aktenmanipulationen oder systematische Dokumentationsdefizite hindeuten, blieben unbeantwortet – und unbewertet.
Der Beschluss stützt sich weitgehend darauf, dass das Ermittlungsverfahren bereits abgeschlossen sei und deshalb kein aktueller Anlass für eine eilbedürftige Berichterstattung bestehe.
Vorhaltungen: Gericht hinterfragt Motivation der Antragsteller
Das Gericht äußert Zweifel am rein journalistischen Motiv, weil einer der Antragsteller zuvor auch als Privatperson Anfragen gestellt hatte. Das Gericht leitet daraus ab, dass im Eilverfahren der Eilbezug nicht ausreichend glaubhaft gemacht wurde.
Relevante Frage: Wie kann ein abgeschlossener Fall aktuell sein, wenn erst nach Akteneinsicht die Lücken sichtbar wurden?
Diese juristisch zentrale Frage wird nun das OVG Lüneburg zu klären haben: Ob ein Thema tatsächlich „abgeschlossen“ ist, wenn sich erst nachträglich – durch Akteneinsicht, Gutachten und Widersprüche – elementare Ungereimtheiten offenbaren, die Rückschlüsse auf die Pflicht zur ordnungsgemäßen Aktenführung zulassen.
Beschwerde wird eingelegt – OVG Lüneburg übernimmt jetzt
Die Antragsteller haben erklärt, sofortige Beschwerde einzulegen. Damit wird sich das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg nun befassen müssen mit:
- den Maßstäben der aktuellen presserechtlichen Dringlichkeit,
- der Frage, ob gravierende Aktenlücken einen Gegenwartsbezug begründen können,
- der möglichen Relevanz von Aktenmanipulationen für die Öffentlichkeit,
- der Reichweite der Transparenzpflichten nach § 5 MStV.
Das OVG wird zudem zu prüfen haben, ob ein Eilverfahren erforderlich sein könnte, wenn intern dokumentierte Ermittlungsfehler auf strukturelle Missstände hindeuten könnten.
Einordnung: Die eigentliche Debatte fängt jetzt erst an
Während die Eilentscheidung keine materiellen Antworten liefert, ist klar: Die Vorwürfe, dass zentrale Bestandteile der Ermittlungsakte fehlen, sind weder entkräftet noch inhaltlich bewertet worden. Der Gang zum OVG Lüneburg eröffnet nun die Möglichkeit, die Frage zu klären, ob die Presse – gerade im Fall potenziell manipulierter oder unvollständiger Akten – einen gesteigerten, verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruch auf zeitnahe Auskunft hat. Der vollständige Beschluss ist Bestandteil der Akte.
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