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Kulturwandel durch Frauen in Führungspositionen – Podiumsgespräch des Weserwirtschaftsforums in Hameln

Hameln, 12. November 2025 – Unter der Überschrift „Kulturwandel durch Frauen in Führungspositionen“ diskutierten Vertreterinnen aus Politik, Wirtschaft und Personalwesen am Mittwoch in der Jobgalerie Weserbergland über Ursachen, Hemmnisse und Perspektiven weiblicher Führung. Veranstalter war das Weserwirtschaftsforum e. V., ein in Hameln gegründetes Netzwerk, das sich für Innovation, Diversität und gesellschaftlichen Wandel in der Weserregion engagiert.

Teilnehmerinnen und Struktur der Diskussion

Auf dem Podium saßen

  • Irmgard Lohmann (Kreisvorsitzende MIT CDU Hameln-Pyrmont),
  • Sarah Schneider (SPD-Kreistagsfraktion Hameln-Pyrmont),
  • Anett Dreisvogt (Fraktionsvors. Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat Hameln),
  • Jacqueline Krüger (FDP-Kreisvorsitzende Hameln-Pyrmont),
  • Daniela Harrychan (HR-Direktorin REINTJES GmbH & Vorstandsmitglied Weserwirtschaftsforum) und
  • Larissa Pilgrim (Standortleiterin CompetenzWerkstatt Beruf gGmbH).

Die Moderation übernahm Gülsüm Akkuc, Geschäftsführerin der 360 Grad HR GmbH und ebenfalls Vorstandsmitglied des Forums.

Zahlen und Ausgangslage

Nach Daten des Statistischen Bundesamts lag der Frauenanteil in Führungspositionen in Deutschland 2024 bei 29,1 Prozent, der EU-Durchschnitt betrug 35,2 Prozent. In den Parteien zeigt sich ein ähnliches Bild: Nur ein kleiner Teil der Bundes- und Landesvorstände ist weiblich besetzt, und auf kommunaler Ebene ist der Anteil weiblicher Fraktions- oder Ausschussvorsitzender häufig einstellig.

Vor diesem Hintergrund diskutierte das Podium, warum weder politische Organisationen noch Unternehmen ihre eigenen Gleichstellungsziele erreichen – obwohl der gesellschaftliche Konsens über Chancengleichheit längst vorhanden ist.

Themenschwerpunkt: Strukturen und Selbstbilder

Mehrere Rednerinnen betonten, dass strukturelle Faktoren wie fehlende Vereinbarkeit, ungleiche Netzwerke und intransparente Auswahlverfahren weiterhin entscheidend sind. Ebenso wurden kulturelle Aspekte angesprochen – darunter stereotype Zuschreibungen und Erwartungshaltungen, die Frauen von Führungsrollen fernhalten.

Besondere Aufmerksamkeit erhielt der sogenannte „Cinderella-Komplex“, ein Begriff, den die US-Psychologin Colette Dowling 1981 prägte. Er beschreibt das unbewusste Bedürfnis vieler Frauen, von einer schützenden männlichen Autorität „gerettet“ zu werden, anstatt selbst Macht und Verantwortung zu übernehmen. Der Komplex führt laut Dowling und späterer Forschung dazu, dass Frauen Führung vermeiden, Konflikte scheuen oder sich in traditionellen Rollen sicherer fühlen – selbst in modernen Kontexten.

Im Gespräch wurde dieses Konzept als psychologisches Gegenstück zu struktureller Benachteiligung verstanden: Während Systeme Hürden setzen, internalisieren manche Frauen Zurückhaltung. Mehrere Podiumsteilnehmerinnen betonten, dass dieses Muster nicht individuelles Versagen, sondern Ergebnis gesellschaftlicher Prägung sei.

Parteien, Unternehmen und Verantwortung

Die politischen Vertreterinnen diskutierten, dass Parteien trotz Quotenregelungen häufig an den gleichen Mustern leiden wie Unternehmen: Führungsämter werden in informellen Kreisen vergeben, Arbeitszeiten kollidieren mit Familienpflichten, und weibliche Nachwuchskräfte erhalten zu wenig Sichtbarkeit.

Aus der Wirtschaft kam die Beobachtung, dass Unternehmen im ländlichen Raum – auch im Landkreis Hameln-Pyrmont – oft an der Vorstellung festhalten, Führung müsse ständig präsent und autoritär sein. Flexible Modelle, Mentoring-Programme oder Tandem-Führungen seien bislang eher die Ausnahme.

Lösungsansätze

Als zentrale Hebel nannten die Teilnehmerinnen:

  1. Transparente Auswahlverfahren und verbindliche Zielquoten,
  2. Mentoring und Peer-Netzwerke zur gegenseitigen Unterstützung,
  3. Aufbrechen von Rollenklischees bereits in Schule und Ausbildung,
  4. Führung in Teilzeit und Job-Sharing als reguläre Option,
  5. Sensibilisierung von Männern in Führungspositionen für unbewusste Bias-Effekte.

Mehrere Rednerinnen hoben hervor, dass Diversität in Führung kein moralisches, sondern auch ein ökonomisches Argument sei. Unternehmen mit gemischten Führungsteams verzeichneten laut internationalen Studien höhere Rentabilität und Innovationsraten. Auch Männer sind gefragt, sich der Förderung von Frauen bewusster zuzuwenden.

Fazit

Das Podium einigte sich darauf, dass echter Kulturwandel nicht allein über Quoten oder Gesetze entsteht, sondern über bewusst gelebte Führungskultur – in Politik wie in Unternehmen. Die Diskussion soll laut Weserwirtschaftsforum in künftige Veranstaltungen einfließen.

Mit der Reihe möchte der Verein lokale Akteure, Personalverantwortliche und politische Entscheidungsträger zusammenbringen, um die Region Weser langfristig diverser und wettbewerbsfähiger zu machen. Weitere Veranstaltungen sind für das Frühjahr 2026 geplant.

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