Donnerstag, November 27, 2025
StartInvestigativRazzia "verfassungswidrig"! ZKD-Leiter Manfred Hellmich (Hameln) im Fokus: Gravierende Mängel in Ermittlungsakte

Razzia „verfassungswidrig“! ZKD-Leiter Manfred Hellmich (Hameln) im Fokus: Gravierende Mängel in Ermittlungsakte

Vor einem Jahr durchsuchten über hundert Einsätzkräfte zahlreiche Wohnungen in Hameln und Hannover, Hamelns größte Durchsuchungsmaßnahme seit vielen Jahren. Heute kommt ein Gutachten eines führenden deutschen Strafprozessrechtswissenschaftlers zu dem Schluss:

Das gesamte von EKHK Manfred Hellmich als ehemaligem ZKD-Leiter organisatorisch verantwortete Ermittlungsverfahren kennzeichne sich in allen Stadien durch teils gravierende Rechtsverstöße, die Durchsuchung selbst sei daher „rechts- und verfassungswidrig.“

Was war passiert: Heute vor einem Jahr rückten über hundert Einsatzkräfte an, Wohnungen wurden aufgebrochen, Unterlagen beschlagnahmt, Smartphones mitgenommen. Heute ist von den Vorwürfen nichts geblieben – außer einem Gutachten, das nüchterner nicht sein könnte und dennoch alles sprengt.

Der Mainzer Strafrechtler Prof. Dr. Volker Erb, Herausgeber von Band 5/2 des Löwe Rosenberg-StPO-Kommentars zu §§ 158 – 211 der Strafprozessordnung, hat die knapp 400 Seiten lange Ermittlungsakte aus dem Strafverfahren gegen zwei Hamelner seziert – Zeile für Zeile, Paragraph für Paragraph.

Sein Fazit liest sich wie eine Anklage gegen das unter Verantwortung von EKHK Manfred Hellmich, seinerzeit ZKD-Leiter, geführte Verfahren selbst. „Die Durchsuchung muss als rechts- und verfassungswidrig bezeichnet werden“, schreibt Erb – und damit ist alles gesagt. Dem voran geht ein regelrechter Katalog von Versäumnissen, Widersprüchen und Missachtungen grundlegender Pflichten in allen Verfahrensstadien – ein juristisches Erdbeben.

Doch wer trägt Verantwortung? Aktuell deuten die der Redaktion vorliegenden Umstände und Hinweise darauf hin, dass der ehemalige ZKD-Leiter EKHK Manfred Hellmich im vorliegenden Ermittlungsverfahren entlastende Beweise zurückgehalten haben soll und die Dienststelle jegliche Aufarbeitung etwaiger Dienstpflichtverstöße seither verweigert.

Ein schwerwiegender Verdacht; sollte er zutreffen hätte Hellmich sich möglicherweise gleich in mehrerlei Hinsicht strafbar gemacht – von möglichen dienstrechtlichen Konsequenzen ganz zu schweigen. Was ist die Grundlage des Verdachts: Der Redaktion liegen neben dem Rechtsgutachten – welches das Fehlen der entlastenden Beweise wissenschaftlich fundiert dokumentiert – weitere Anhaltspunkte vor, die den Verdacht gegen Hellmich konkretisieren.

Wir haben EKHK Manfred Hellmich in Anbetracht der Tragweite eines solchen Verdachts am 14. und 16. Oktober per E-Mail um Stellungnahme gebeten, bis Redaktionsschluss wurde von dieser Möglichkeit weder durch EHKH Hellmich noch durch seinen Dienstherren Gebrauch gemacht. Bis Redaktionsschluss lagen trotz Erinnerung keine Stellungnahmen vor. Die Redaktion hat EKHK Hellmich am 16.10. explizit in ihrer Mail darum ersucht, im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung mögliche entlastende Umstände mitzuteilen – so es sie denn gibt. Es erfolgte – wie so oft in diesem Verfahren – keine Reaktion.

In einer Antwort auf eine Anfrage aus dem September hieß es seitens der Polizeidirektion Göttingen lediglich am 15. September: „Eine unsachgemäße Aktenführung ist nicht ersichtlich.“ – eine Aussage, die in diametralem Widerspruch zum Rechtsgutachten steht, welches einen ganzen Katalog an Dienstpflichtverstößen nachweist und erläutert.

Folgenden Fragenkatalog haben wir EKHK Manfred Hellmich und seinem Disziplinarvorgesetzten vor einigen Tagen mit der Bitte um Stellungnahme übersandt:


1.) Erkennen Sie die gutachterliche Feststellung an, dass entlastende Beweismittel entgegen § 160 Abs. 2 StPO nicht oder nicht vollständig in die Ermittlungsakte aufgenommen wurden? Falls nein, auf welcher sachlichen Grundlage bestreiten Sie dies?

2.) Falls Sie dies bestreiten, bitten wir um eine detaillierte Begründung unter Angabe der konkreten Tatsachen, welche die gutachterlichen Feststellungen Ihrer Ansicht nach widerlegen.

3.) Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt angeordnet oder in sonstiger Weise darauf hingewirkt, dass bestimmte entlastende Informationen / Beweismittel nicht oder nur unvollständig in der Akte dokumentiert worden bzw. gar nicht ermittelt worden sind? Wenn ja, wann und aus welchem Grund?

4.) Welche konkreten internen Kontrollmechanismen (Vier-Augen-Prinzip, Führungskontrolle, Sachleitungsprüfung o. Ä.) kamen im vbz.-Verfahren Ihres Wissens zum Einsatz, um eine lückenlose Aktenführung sicherzustellen – und falls keine spezifischen Sicherungsmechanismen eingesetzt wurden, wie ist dies angesichts der nun festgestellten Lücken aus Ihrer Sicht zu erklären?

5.) Wurden im Zusammenhang mit den oben genannten Unregelmäßigkeiten Ihres Wissens dienstrechtliche Prüfungen oder Qualitätssicherungsmaßnahmen eingeleitet? (Bitte nennen Sie ggf. Zeitpunkt, veranlassende Stelle und das Ergebnis in Stichworten.)

6.) Welche Funktion war innerhalb Ihrer Behörde für die vollständige Aktenführung und die Vorlage der Ermittlungsakte an die Staatsanwaltschaft verantwortlich? Bitte benennen Sie die zuständige Position (z. B. Leiter der Ermittlungsgruppe, ZKD-Leitung etc.), nicht zwingend namentlich.


Seit Monaten versucht Dossier Hameln, Antworten zu erhalten – vergeblich. Die Polizeiinspektion Hameln-Pyrmont/Holzminden verweigert bis heute jede Auskunft zu den entscheidenden Fragen des Falles:

Wer entschied, dass entlastende Beweise unberücksichtigt bleiben?
Warum wurden zentrale Zeugen nie vernommen?
Wo befindet sich die Dokumentation der Glaubwürdigkeitsprüfung der stark alkoholisierten, aggressiven Belastungszeugin, die mit Handfesseln am Boden fixiert werden musste?
Wo befindet sich die Dokumentation der Rücksprache mit den Fachbeamten?
Wo befinden sich die Kontrollberichte?
Und weshalb schweigen jene, die Verantwortung trugen, nun kategorisch?

Mehrere formelle Presseanfragen blieben unbeantwortet. Selbst einfachste Sachverhalte wurden mit dem Verweis auf „Interna“ abgewehrt. Doch das Skandalverfahren ist längst eingestellt, damit entfällt der wesentliche Verweigerungsgrund des maßgeblichen §4 des Niedersächsischen Pressegesetzes, die Gefährdung der „sachgemäßen Durchführung eines schwebenden Verfahrens“.

Die Redaktion von Dossier Hameln hat deshalb am 17. September, heute vor genau einem Monat, beim Verwaltungsgericht Göttingen einen Eilantrag eingereicht – mit dem Ziel, die Polizei gerichtlich zur Beantwortung der offenen Fragen zu verpflichten. Doch das „Eil“-Verfahren zieht sich – daher haben wir beschlossen, heute das zu berichten was bis hierhin bekannt ist.

Das Eilverfahren bleibt jedoch von ungeminderter Wichtig- und Dringlichkeit: Es geht um das, was § 4 des Niedersächsischen Pressegesetzes garantiert: das Recht der Öffentlichkeit auf Information. Was die Polizei am Ende weiterhin auffallend engagiert verschweigen darf, die Antragserwiderung umfasste 22 Seiten, muss das Gericht nun klären. Eine Sachstandanfrage vom 13. Oktober ergab den Hinweis, das Verfahren sei „in Bearbeitung“. Manche Verwaltungsgerichte brauchen sechs Monate und mehr für „Eil“-Verfahren.

Der Fall ist mehr als eine lokale Episode. Er ist ein Prüfstein für die Verlässlichkeit staatlicher Kontrolle, für das Verhältnis von Macht und Rechenschaft. Wenn Institutionen Fehler aufarbeiten, handeln sie nicht gegen den Staat – sie handeln in seinem Namen.

Die Gerichte werden nun klären, was geschehen ist. Doch das Vertrauen der Bürger entsteht nicht durch Urteile, sondern durch die Bereitschaft zur Transparenz. Dossier Hameln versteht seine Arbeit als Beitrag dazu, dass aus diesem Verfahren kein Riss bleibt, sondern eine Lehre, wie Demokratie funktioniert – durch Aufklärung, nicht durch Schweigen.

Bildquellen

  • Großaufgebot der ZPD Hannover auf dem Weg zu einer verfassungswidrigen Durchsuchung: Privat
  • Manfred Hellmich, ehem. ZKD-Leiter der Polizeiinspektion Hameln-Pyrmont Holzminden. Quelle: Polizeiinspektion Hameln-Pyrmont/Holzminden: Polizeiinspektion Hameln-Pyrmont/Holzminden

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